Relikt der Evolution oder notwendig?

Pressemitteilung Hessingpark Clinic

Braucht (k)ein Mensch die lange Bizepssehne in der Schulter?

PRESSE-INFO, 06. Dezember 2013

 

Veränderungen der Bizepssehne eine Hauptursache für Schulterschmerzen:

Braucht (k)ein Mensch die lange Bizepssehne in der Schulter?

Das Schultergelenk (lat. Articulatio humeri), auch Glenohumeralgelenk genannt, wird von dem Oberarmkopf (Caput humeri) und dem Schulterblatt (Scapula) gebildet. Nachdem die Schulter vor allem durch Muskeln gesichert wird und die Bewegungen kaum durch knöcherne Strukturen eingeschränkt werden, ist es das beweglichste Kugelgelenk des menschlichen Körpers. Damit die Kugel des Oberarmkopfes bei Bewegungen der Schulter in der Pfanne bleibt, zentrieren Muskeln den Oberarmkopf in der Schulterpfanne und sorgen für Bewegung und Kraft.

Das Schultergelenk ist nahezu ein Kugelgelenk. Bedingt durch seinen Aufbau ist es eines der Gelenke mit dem größten Bewegungsumfang. So kann die Schulter scheinbar mühelos in allen drei Achsen des Raumes bewegt werden. „Dadurch ist das Schultergelenk einerseits besonders beweglich, man kommt gewissermaßen überall hin“, sagt PD Dr. Florian Elser, Experte für Schulterchirurgie an der Hessingpark-Clinic. Andererseits ist die Schulter durch dieses Bauprinzip aber auch besonders anfällig für Abnutzungserscheinungen, Verletzungen und Schulterinstabilitäten.

Bizeps doppelt verankert

Veränderungen im Bereich der langen Bizepssehne sind die zweithäufigste Ursache für Schulterschmerzen, unklar ist jedoch, ob die Sehne überhaupt eine Funktion im Schultergelenk hat. Der Bizepsmuskel (M. bizeps brachii) ist im Bereich des Schultergürtels doppelt befestigt: mit der kurzen Sehne außerhalb des Schultergelenks (Glenohumeralgelenk) am Rabenschnabelfortsatz (Coracoid) und mit der langen Sehne im Schultergelenk am Oberrand der Gelenkpfanne.

Relikt der Evolution oder notwendig?

Entwicklungsgeschichtlich haben sich der Aufbau des Schultergürtels und die Anforderung an das Schultergelenk mit der Aufrichtung und Entwicklung des zweifüßigen Gangs komplett verändert. Deswegen waren Anatomen schon seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts davon überzeugt, dass die lange Bizepssehne keine Funktion im Schultergelenk ausübt. Aktuelle Forschungsergebnisse haben dies bestätigt, so dass die lange Bizepssehne bei Schmerzen ohne Funktionseinschränkung durchtrennt werden kann. Durch die doppelte Aufhängung bleibt die Funktion des Bizeps im Ellenbogen erhalten. Allerdings kann es zu einem Tiefertreten des Muskelbauchs, dem so genannten „Popeye Zeichen“ kommen. Dieses kosmetische Problem kann mit einer erneuten Fixierung (Tenodese) der langen Bizepssehne am Oberarm nach deren Durchtrennung gelöst werden. Allerdings ergibt sich dadurch kein funktioneller Vorteil gegenüber der alleinigen Durchtrennung.


Sehne offen oder arthroskopisch fixieren

Tenodesen können arthroskopisch oder offen durchgeführt werden. Der Trend geht aktuell bei jungen Patienten zur mini-offenen Tenodese unter dem Pectoralismuskel (subpectorale Tenodese) oder tiefen arthroskopischen Tenodese über dem Pectoralismuskel (suprapectorale Tenodese). Die Dauer der stationären Behandlung liegt bei ca. 2-3 Tagen. Nach kurzer Ruhigstellung (ca. 24 Stunden) wird die Schulter physiotherapeutisch behandelt, allerdings sollte für etwa 6 Wochen eine größere Anspannung des Bizeps unterbleiben. Bei Bürotätigkeit ist die Rückkehr in den Arbeitsprozess nach 3-6 Wochen realistisch, bei Patienten mit schwerer körperlicher Arbeit nach ca. 12 Wochen.